HANDBALL Inside: Gelebte Vielfalt

02.04.2019 14:25
Handball mit Behinderung. Das Thema hat es immer schon gegeben. Nur Transparenz und Struktur fehlten dem Sport über viele Jahre. Wir trafen vier Musketiere des Inklusions-Handballs in Kiel. Menschen, die durch ihr ehrenamtliches Engagement Berge versetzen …

Ein Samstagmorgen im März. Die Parkplatzsuche an der Sporthalle im Kieler Vorort Kronshagen gestaltet sich schwer. Alle Plätze sind belegt, sogar Gehwege und Einfahrten sind zugeparkt. Erst einige hundert Meter weiter tut sich wieder eine Lücke auf. „Ja, auch die Halle ist komplett voll“, hatte Doris Birkenbach, stellvertretende Vorsitzende in der Jugendkommission des Deutschen Handballbundes, stolz am Telefon angekündigt. Und tatsächlich. Schon im Vorraum herrscht reges Treiben.

Gerade ist Halbzeit, die Teams wechseln die Seiten bei lauter Musik und guter Laune. Dennoch kann man deutlich einen der Handballer hören, der sich lautstark bei seinen Teamkollegen beschwert. Seine Aufregung will er gar nicht verstecken: „Mann, ich stand doch gut! Trotzdem habt ihr mir den Ball nicht gegeben. Und das zweimal“, sprudelt es aus dem Spieler von Team HANDiBALL heraus.

Wasserkästen werden durch die Gegend geschleppt, Bälle auf ihre Festigkeit geprüft, während freundliche Damen mittleren Alters Kaffee und selbstgemachten Kuchen im Foyer anpreisen. Der Erlös unterstützt selbstverständlich den hiesigen Handballverein. Was sonst. Der Weg zu Doris Birkenbach führt jetzt direkt durch die Halle. Rechts am Sprecherpult gelangt man in die Katakomben, am Ende des Korridors steht ein Schild an der Tür mit der Schrift: Kraftraum. Und hier sitzen sie alle. Das Who‘s Who des deutschen Handballs. Zumindest, wenn es um Inklusion geht.

Insgesamt neun Menschen füllen diesen Raum. Zwei hocken auf einem Bock, die anderen sitzen auf Fitnessgeräten. Es sieht nicht besonders gemütlich aus, doch der fehlende Sitzkomfort scheint hier niemanden zu stören. Leere Kaffeetassen, ein paar Unterlagen und ein Projektor ergänzen das Bild. Wo sich sonst eifrige Fitnessfreunde treffen, werden heute keine Gewichte gestemmt. Dennoch kommt die kleine Gruppe langsam etwas ins Schwitzen, denn in nur acht Wochen sollen in dieser Halle wichtige Handballspiele stattfinden.

Vom 14.-18. Mai 2018 wird in Kiel olympischer Wind wehen. Dann treten hier im Rahmen der Nationalen Sommerspiele von Special Olympics Deutschland rund 4.600 Athleten und Athletinnen in 19 Sportarten an. Davon 22 Handballteams, die in der Sporthalle Kronshagen zu Gast sein werden. „Der Tag des inklusiven Handballs“, den der Handballverband Schleswig- Holstein (HVSH) in Kronshagen durchführt, dient als Generalprobe.

Unter den Argusaugen von Katharina Pohle, Beachhandball-Beauftragte des HVSH und Mitglied des Fachausschusses Handball der Special Olympics Deutschland, wird der Ablauf getestet. Passt die zeitliche Planung? Was ist mit den Schiedsrichtern? Wohin mit der Anzeigetafel? Der Name Pohle taucht dabei überall auf und steht auch unter dem heutigen Spielplan.

INTEGRATION ODER INKLUSION?

Zwei Themen, mit denen sich manche Menschen schwertun, sind schnell und einfach erklärt. Integration hat die Eingliederung des Einzelnen in eine Gruppe zum Ziel. Das Konzept der Inklusion beschreibt eine Gesellschaft, in der jeder in seiner Einzigartigkeit akzeptiert wird. Gleichberechtigt und selbstbestimmt. Niemand wird darauf reduziert, was er nicht kann. Nur die Stärken eines Menschen zählen, oder wie man es im Fachjargon sagt: die Abilities.

Auf blumige und komplizierte Formulierungen wird dabei bewusst verzichtet. Ein gutes Beispiel dafür, wie einfach Inklusion gelebt werden kann: Pohle als Hauptverantwortliche für Handball bei den Nationalen Spielen wird schnell zum schnörkellosen „Kontakt bei Problemen“. Und damit hat hier niemand ein Problem, auch Katharina Pohle nicht.

DER MANN FÜR ALLE FÄLLE

Kaum jemand weiß, dass Deutschland bei den World Games in Athen Olympiasieger wurde. Der Traum aller Athleten – dieser Traum wurde damals für das kleine Handball-Team wahr. Ronny Weber, nationaler Koordinator für Handball bei Special Olympics, erzählt diese Geschichte gerne, wenn man ihn auf sein ehrenamtliches Engagement anspricht, und warum er diesen Weg eingeschlagen hat.

Der ehemalige Handballer spielte für einen Verein, der bereits in den neunziger Jahren kontinuierlich Handballturniere für Menschen mit Einschränkungen veranstaltete. Weber war als junger Spieler nach den ersten Begegnungen mit dem Thema Inklusion so beeindruckt, dass er seinen Zivildienst unbedingt in einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung absolvieren wollte. „Und dann bin ich auch dabei geblieben“, sagt er und lacht. In einer „Werkstatt für angepasste Arbeit“ fräst er heute hauptberuflich mit zwölf Angestellten Gipsplatten. Und seine Freizeit bestimmt bis heute weiterhin der Handball.

Wie er zu seinem Amt kam, erzählt der gut gelaunte Sachse so: „2003 fanden die National Games in Dublin statt. Der Koordinator kam aus Thüringen, deshalb fuhr eine Mannschaft aus Thüringen hin.“ Ein Netzwerk oder eine offizielle Dachorganisation gab es für Menschen, die mit einer geistigen oder mehrfachen Behinderung Handball spielten, damals nicht. Vier Jahre später ein kleiner Erfolg: Zu den Weltspielen 2007 in Shanghai wurde eine mitteldeutsche Auswahl geschickt, das Ergebnis jahrelanger Bemühungen. Einer der Athleten kam aus Webers Einrichtung. Das Team gewann die Bronzemedaille gegen Griechenland. Erfolg euphorisiert – auch wenn es um die National Games geht. So gründeten sich danach weitere Netzwerke und 2011 konnte dann eine Deutschland-Auswahl aus vier Bundesländern die Reise nach Athen antreten. Diese Spieler gewannen schließlich Olympiagold. Wahnsinn. Das große mediale Interesse oder unbegrenzte Sponsorengelder blieben dennoch aus. Wenn es um Inklusion geht, wächst alles eher Schritt für Schritt, organisch.

In Athen war Ronny Weber noch privat, 2015 reiste der heutige Koordinator schon beruflich als Headcoach nach Los Angeles. Sein Team zählte zu den Favoriten, schließlich kamen die Athleten aus sechs Bundesländern. In der ersten Leistungsgruppe wurden die Deutschen dann Vierter. „Sportlich haben uns die Schweden das Genick gebrochen“, verrät der Koordinator und schüttelt seinen Kopf, „sie haben sich Unmengen an Harz an die Bälle geschmiert.“ Das war Webers Team nicht gewohnt, in Deutschland wird im Bereich des Behindertensports komplett auf Kleber verzichtet.

Zu den großen Erfolgen zählt Weber noch eine andere Tatsache. Seine Handballer dürfen heute offiziell im Deutschlandtrikot spielen. Früher war das nicht im Sinne der Special Olympics: „wir sollen ja alle One World – One Future sein“. Mittlerweile stellt der DHB den Athleten auch einen Satz Trikots und Schuhe zu vergünstigten Konditionen zur Verfügung. Ein weiterer Erfolg.

Die größte Herausforderung bleibt aber weiterhin der Bereich Finanzen: Als Budget in der Vorbereitung für Abu Dhabi 2019 stehen Weber für die Nationalmannschaftslehrgänge für zwei Teams und sechs Betreuer genau 3.500 Euro zur Verfügung. „Ohne persönliche Kontakte und weitere regionale Unterstützung würde das gar nicht gehen“, sagt er. Ein Ding der Unmöglichkeit? Das findet Weber nicht: „Es ist halt mit Arbeit verbunden.“

DHB-FRONTFRAU MIT HERZENSANGELEGENHEITEN

Während sich Ronny Weber hauptsächlich auf die Vorbereitung und Organisation der Nationalen Spiele konzentriert, wird heute in Kiel, in der provisorischen Denkfabrik im Kraftraum, auch an der Strategie für die Zukunft gefeilt. „Uns ist wichtig, wie die Zusammenarbeit zwischen DHB und Special Olympics Deutschland in der Zukunft weitergeht“, erzählt Doris Birkenbach

2014 wurde eine Kooperation zwischen den Dachorganisationen geschlossen. Seitdem gilt es, diese Partnerschaft mit Leben zu füllen. Zum Thema Inklusion hat sich schon viel getan: Auf der DHB-Homepage wurden eine Landkarte mit Vereinen und Ansprechpartnern veröffentlicht, fortlaufend Termine für entsprechende Weiterbildungen und Seminare gelistet sowie Unterstützung bei der Gründung neuer Gruppen angeboten.

„Wir definieren aktuell die nächsten Schritte“, sagt Birkenbach. In ihrem Arbeitsbereich liegen die gesellschaftlichen Themen – ihre Herzensangelegenheit heißt: Inklusion. „Viele Menschen mit Einschränkungen möchten Handballer sein. Unsere Aufgabe ist es, dem Ganzen einen passenden Rahmen zu geben.“

Vor zehn Jahren steckte Inklusion noch in den Kinderschuhen – heute gibt es sogar einen eigenen Spielbetrieb. Einer der Pioniere heißt Martin Wild. Mit seiner inzwischen bundesweit bekannten Organisation Freiwurf Hamburg hat sich der junge Mann viel Respekt erarbeitet. Seine Initiative wurde 2014 sogar von Bundeskanzlerin Angela Merkel geehrt, der damals schon 70 Spieler mit und ohne Behinderung angehörten. Heute spielen in der Kronshagener Sporthalle gleich zwei Teams von Freiwurf Hamburg.

„In Sachsen ist die Liga inzwischen auch gut angelaufen und andere Bundesländer wollen nachziehen“, findet Birkenbach wieder den direkten Weg zur Gegenwart. Auf die Frage, warum es unbedingt einen Verband braucht, um mit Behinderung Handball spielen zu können, gibt es von ihr auch eine plausible Antwort. „Jeder Sportler hat das Bedürfnis, Teil einer Gemeinschaft, eines Vereins zu sein. Niemand möchte in seinem Sport isoliert sein.“

Eine große Herausforderung für den Verband in den letzten Jahren war die Definition von einheitlichen Rahmenbedingungen und das Regelwerk für den Spielbetrieb. Die Anzahl der Spieler oder die Schrittregel gelten auch hier. Doch wie lang ist die Spielzeit und ab wann ist ein Verein inklusiv? Diese Rahmenrichtlinien sind keinesfalls in Stein gemeißelt. Sie dürfen immer „ein kleines bisschen“ abgeändert werden. Bei Inklusionshandball bedeutet das Wort „Rahmen“ tatsächlich einen Rahmen. Keine Mauern.

In die Erstellung des Regelwerks war Doris Birkenbach eng eingebunden. Sie schaut bereits auf viele Jahre Verbandsarbeit zurück und zitiert aus dem Effeff Regeln, Satzungen und schildert Organigramme. Doch woher kam die Fachexpertise? „Sie kam aus Hamburg“, sagt die Handballkennerin. Es ist bereits das vierte Mal, dass der Name Martin Wild fällt. In akribischer Arbeit wurden zwischen DHB und Freiwurf Hamburg die Ballgröße (Jugend und Damenball), Spielzeiten und die besondere Regel definiert, dass im Tor jemand mit einer Behinderung stehen muss.

„Der DHB ist nicht der absolute Vorreiter für Inklusion, doch wir sind gut aufgestellt“, beschreibt Birkenbach die Situation im Vergleich mit anderen Sportarten. „Die Special Olympics in Kiel könnten ein wichtiger Motor für unsere Sportart sein.“ Immerhin hätten sich 30 Schiedsrichter aus der Region bereit erklärt, die Spiele zu pfeifen, und an Zuschauern wird es auch nicht mangeln. Schleswig-Holstein ist schließlich ein Handballland.

Die größte Errungenschaft? „Es gibt circa 35 Gruppen in Deutschland, die dem DHB bekannt sind, und alle Gruppen, auch die, die vor kurzem gegründet wurden, funktionieren!“ Als Herausforderung nennt die Front- frau des Verbandes die Struktur. Denn für den DHB gehört die gelebte Vielfalt der Inklusion ganz klar zu dem Bereich Breitensport. Doch wo ordnet man die Teams ein, die sich für die World Games qualifizieren? Als Repräsentanten des Landes gelten die Athleten als Nationalspieler. Als solche wären sie, laut DHB, Leistungssportler …

Als Doris Birkenbach wieder Richtung Kraftraum verschwindet, kann sie sich ein kleines Lächeln nicht verkneifen. An der Hallenwand hängt ein Plakat des HVSH mit der Aufschrift „Handball für Alle“. Ein früheres inklusives Projekt der studierten Pädagogin. Als Schirmherrn für die Aktion hatte sie vor vielen Jahren Heiner Brand gewinnen können …

EIN INITIATOR MIT STRAHLKRAFT

Ein inklusives Handballevent ohne Martin Wild? Das ist kaum vorstellbar. Inzwischen ist er in der Halle angekommen. Der junge Mann winkt kurz den Organisatoren zu, schüttelt ein paar Hände „seiner“ Spieler und eilt auf die Tribüne: „Ich möchte noch ein bisschen Handball schauen“, sagt er, bevor er eine Halbzeit später wieder im Foyer der Halle mit einer Tasse Kaffee in der Hand und einem breiten Lächeln im Gesicht auftaucht. Ob eines seiner Teams gewonnen hat, wollen wir wissen. „Das ist nicht so wichtig“, kommt prompt die Antwort. Doch was ist dann wichtig und wieso führen alle Wege nach Hamburg, wenn das Wort „Inklusion“ fällt?

„Wenn jemand bei uns mitspielen will, dann machen wir das möglich“, sagt der erste Vorsitzende von Freiwurf Hamburg. „Wenn eine Rollstuhlfahrerin in eine Gruppe integriert werden möchte, dann ist das meist eine schwierige Aufgabe, aber wir knacken auch diese Nuss“. Der Mann, der im Berufsleben als Unternehmensberater unterwegs ist, scheint auch ehrenamtlich auf Lösungssuche zu sein: „Bevor man sagt, es funktioniert nicht, sollte man es zuerst ausprobieren.“ Das scheint seine Lebensaufgabe zu sein.

Wild spricht dabei konsequent in Wir-Form. Er hat zwar die erste inklusive Handball-Liga initiiert, doch in die Diskussion und in die Entscheidungen will er alle Trainer einbeziehen. Gelebte Inklusion soll auch mit einem tiefer gehenden Demokratieverständnis einhergehen. Wild zeigt gerade, wie es geht. „Enge Abstimmungen“ werden von ihm genauso gefordert, wie die Tatsache, dass sich jeder wohlfühlen muss. Er bleibt, auch für den Rest des Gesprächs, konsequent bei der Wir-Form …

Eigentlich ist an der heutigen Entwicklung Google schuld. Denn der gebürtige Pforzheimer suchte nach seinem Umzug in die Hansestadt im Internet nach einer Jugendmannschaft, die er trainieren konnte. Bei der Recherche wurde ihm klar, dass es viele Teams gibt, in denen Handballer mit Einschränkungen spielen und für Athleten mit geistiger Behinderung sogar ein Olympischer Wettbewerb veranstaltet wird.

„Warum gibt es dann so etwas in einer handballverrückten Stadt wie Hamburg nicht?“ Das fragte sich Wild, bevor er etliche Hamburger Vereine mit seiner Idee anrief. Das war 2010. Nachdem sein erstes Projekt in Rahlstedt sehr gut angelaufen war, stellte sich Wild weitere Fragen: Warum spielen wir eigentlich nicht gemischt? Der Begriff Inklusion war ihm damals nicht geläufig, dennoch zählt Wild als der geistige Vater und gleichzeitig der Geburtshelfer des ersten inklusiven Teams der heutigen Liga.

Und plötzlich interessierten sich immer mehr Vereine für seine Idee. Fortan tingelte Wild als „Entwicklungshelfer“ durch Hamburgs Handball-Vereine und baute so den Grundstein für eine komplette Spielklasse auf. „Ich habe keineswegs alleine gearbeitet“, fügt er hinzu, „ich habe nur einen Anschub gegeben und durch Starthilfe einige Hürden abgebaut.“

Irgendwann wollten die fünf inklusiven Handballvereine im Großraum Hamburg eine eigene Liga gründen und regelmäßig gegeneinander antreten. Mit diesem Wunsch wurde gleichzeitig plötzlich von unten Druck auf den DHB ausgeübt. „Ohne die Unterstützung von Menschen wie Doris wäre das alles nicht möglich gewesen“, sagt Wild, dessen Liga heute acht Teams und rund 100 Handballer zählt. Freiwurf Hamburg fußt auf etablierten Strukturen. Die Akteure sind sowohl organisatorisch als auch emotional ein Teil der großen Handballfamilie. Probleme? Fehlanzeige. „Mit etwas Fantasie findet man immer kreative Lösungen.“

Wilds Lieblingsmoment mit Freiwurf erlebte er während eines Trainingslagers in Österreich, als am Ende ein Freundschaftsturnier ausgetragen wurde. Zu gewinnen war eine Trophäe im Look des Champions League-Pokals. Riesig und goldglänzend. Nach der Siegerehrung wurde die Trophäe in die Mitte der Halle gestellt. Die 60 teilnehmenden Handballer versammelten sich im großen Kreis und feierten das Wichtigste: das Miteinander. Sie hatten viel Spaß und vergaßen am Ende, den tollen Pokal mitzunehmen. Das Gemeinschaftsgefühl war wichtiger …

WISSENSCHAFTLER MIT VISIONEN

Auch den Meisterschafts-Pokal hat Freiwurf endgültig abgeschafft. Die Entscheidung war die Konsequenz einer wissenschaftlichen Untersuchung von Dr. Steffen Greve. Martin Wild und Steffen Greve arbeiten seit fast vier Jahren zusammen. „Es kümmert sich eine ganze Forschungsgruppe darum, ob und wie unser Zielbild funktioniert“, sagt Wild stolz, „wir kriegen wissenschaftliche Rückmeldung aus vielen Blickwinkeln und justieren entsprechend nach.“

Als DHB-Referent für Kinder- und Schulhandball ist Steffen Greve heute Kopf einer Forschungsgruppe an der Universität Hamburg und an der Leuphana Universität Lüneburg. Mit seinen Untersuchungen hat er vor einigen Jahren nach eigener Aussage als „stinknormaler Lehrer“ angefangen. Er ist mit Freiwurf Hamburg eng verbunden – das Forschungsprojekt war für den promovierten Akademiker an der Universität ein Türöffner zu einer neuen wissenschaftlichen Ebene.

„Rollstuhlhandball als Teil des inklusiven Sportprojekts Freiwurf Hamburg“, „Ich würde der auch mal gönnen, dass sie ein Tor schießt“, oder „Die Relevanz von Sieg und Niederlage in der Deutung der Spieler ohne Handicap“ sind nur einige Titel der bisher knapp 30 von Greve betreuten Bachelor- und Master-Arbeiten zum Thema. Ein riesiger Fundus.

„Gestartet sind wir mit dem Ziel: jeden beteiligten Akteur zu untersuchen. Die Trainer, die Schiedsrichter, die Betreuer, die Spieler.“ Nach den Gruppen wurde der Leistungsbegriff unter die Lupe genommen, danach die Motivation und das Interesse von nicht behinderten Menschen, einer Inklusionsgruppe anzugehören. Welche Rolle spielt Betroffenheit oder das eigene Gewissen? Alles wissenschaftlich relevante Fragen. „Inzwischen gehen wir noch tiefer“, so der Professor in spe, „und fragen uns: Geht es auf dem Feld wirklich gar nicht um den Sieg?“

Alle Studenten, die ihre Arbeit bei Dr. Steffen Greve schreiben, müssen auch Trainingsklamotten und Sportschuhe anziehen. Für Greve gibt es keine Wissenschaft ohne Praxis: „Die Studenten müssen mindestens zweimal mittrainieren.“ Einige sind sogar dabeigeblieben und spielen bis heute bei Freiwurf Hamburg Handball. Andere Ex-Studenten erforschen inzwischen selbst das Thema Inklusion. Wissenschaftliche Nachwuchsförderung als positiver Nebeneffekt also. Demnächst soll eine Breitensportlizenz mit dem Modul Inklusion angeboten werden, auch daran arbeitet der Mann, der beim DHB einer Gruppe angehört, die sich um Forschung und Lehre kümmert. Worauf der Wissenschaftler Greve stolz ist? „Wir machen das alle unentgeltlich – bisher sind keine Fördergelder geflossen.“ Der Satz verschlägt jedem die Sprache.

Nicht nur die Tagung im Kraftraum, auch die Generalprobe auf dem Spielfeld scheint zu Ende zu sein. Doris Birkenbach schließt sich wieder unserer Gruppe an. Sie wirkt aufgeregt und kann es kaum erwarten, ihren Mitstreitern die neuste Nachricht mitzuteilen: „Schleswig-Holstein gründet mit sechs Mannschaften eine eigene Inklusionsliga – ein wirklich perfekter Abschluss des heutigen Tages.“

Dieser Artikel stammt aus der HANDBALL inside Ausgabe #20 2/2018. Autor: Zita Newerla

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Quelle: PM HANDBALL Inside

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